Wege aus der emotionalen Käseglocke
Stellen Sie sich folgendes vor: Sie stehen vor Kolleginnen und Kollegen und präsentieren. Einer runzelt die Stirn, sobald Sie Blickkontakt haben. Irritierend. Den Redner bringt das völlig aus dem Konzept. Es verunsichert. Denn wir neigen dazu, das, was um uns herum passiert, auf uns selbst zu beziehen. Wir fragen uns vielleicht: „Ist mein Vortrag nicht richtig? Habe ich was Dummes gesagt?“
Später in der Feedbackrunde finden Sie heraus: Falscher Alarm! Der Kollege war mit etwas ganz anderem beschäftigt. Oder hatte einen Tic. Das Stirnrunzeln hatte also gar nichts mit Ihnen zu tun, Ihre Gedanken sind umsonst gekreist.
Dieses Beispiel zeigt: Häufig interpretieren wir sofort. Wir stellen nicht nur fest „da zieht jemand die Stirn in Falten“, sondern fangen an, diese Wahrnehmung auf uns zu beziehen: Stirnrunzeln = Missfallen = ich mache etwas falsch. Emotionen sind im Spiel. Dieses Verhalten können wir nicht stoppen, es ist in uns drin. Schon der kleinste Auslöser reicht, und die Gefühle sind da. Oft gehen sie auf Ereignisse und Erfahrungen aus unserer Kindheit zurück, an die wir uns gar nicht mehr erinnern, und die automatisch hochkommen, ob wir wollen oder nicht. Wir sind in unserer emotionalen Käseglocke gefangen.
Manchmal sind wir aber auch selbst der Auslöser und sorgen dafür, dass der Interpretationsmodus bei unserem Gegenüber sofort anspringt. Wie oft haben Sie sich selbst schon dabei ertappt, unvermittelt die Stirn zu runzeln, weil Sie ein Wort auf dem Flipchart nicht lesen konnten oder nicht sicher waren, ob Sie eine Bemerkung richtig verstanden haben?
Den Interpretationsmodus ausschalten
Auch ich als Trainerin komme regelmäßig in solche Situationen. Niemand ist gefeit gegen die emotionale Käseglocke. Es gibt jedoch einige Tipps, die Ihnen helfen, sie sich weit genug über den Kopf zu halten und sie später sogar auf die Seite zu stellen:
- Wahrnehmen statt interpretieren. Fragen Sie sich, was Sie gesehen haben: eine Frau, die die Stirn runzelt. Nicht mehr und nicht weniger. Lassen Sie Ihr Gefühl außen vor und konzentrieren Sie sich nur auf die Fakten.
- Den Auslöser suchen. Fragen Sie sich, wann das komische Gefühl angefangen hat, was der Auslöser war dafür. „Die Frau hat wiederholt die Stirn gerunzelt, immer dann, wenn ich sie angeschaut habe.“ Wenn Sie mögen, machen Sie sich eine Notiz und legen Sie den Gedanken dann beiseite.
- Nachfragen. Sprechen Sie die stirnrunzelnde Person bei nächster Gelegenheit direkt an. Ich habe das auch gemacht. So konnte ich meine unbewusste Erfahrung revidieren und ihr helfen, das Stirnrunzeln loszuwerden. Das war nämlich ein Tic, der ihr selbst gar nicht bewusst war.
- Den Kontakt zum Publikum halten. Bleiben Sie mit Ihren Gedanken bei Ihrem Vortrag oder Ihrer Besprechung. Flüchten Sie nicht unter Ihre Käseglocke. Lächeln Sie doch den Stirnrunzler einfach an. Sie werden sehen, oftmals verflüchtigen sich damit die Falten sofort.
- Die Zweifel wegklicken. Sagen Sie sich „jetzt nicht“. Konzentrieren Sie sich voll auf das, was Sie gerade tun.
Vermutlich werden wir alle immer mal wieder in die Interpretationsfalle rauschen und in der emotionalen Käseglocke gefangen sein. Sie können aber lernen, sie ganz schnell anzuheben – damit ein Stirnrunzeln das ist, wonach es aussieht: Falten unter dem Pony.
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